Mit revolutionären Ideen und Entwürfen trug das Bauhaus von 1919 bis 1933 zu einer neuen, modernen Vorstellung des Wohnens bei und prägte damit die Möbelgestaltung und Innenarchitektur des 20. Jahrhunderts entscheidend.
Sie wollten die Welt verändern, Labor sein für ein besseres Leben, wünschten sich eine „neue Einheit“ von Architektur, Design, Malerei und Kunstgewerbe − Anfang des 20. Jahrhunderts markierte das Bauhaus die große Wende in Architektur und Design. Die kleine, abgelegene Kunstschule, gegründet 1919 in Weimar von Walter Gropius, 1925 umgezogen nach Dessau, 1933 geschlossen, weil Hitler die Ideen der Bauhäusler dekadent und scheußlich fand und in der Schule eine kommunistische Keimzelle vermutete, hatte nur 14 Jahre Bestand, und ist doch nach wie vor so stark und einflussreich wie kaum eine andere Lehrstätte.
Einen Gegenentwurf zum Historismus
Mit seiner schlichten, einfachen Formensprache bildete der Bauhausstil einen Gegenentwurf zur ornamentalen Verspieltheit des Historismus, die im Rahmen der industriellen Produktion kaum noch realisierbar war, und löste damit eine gestalterische Revolution aus. Die Form richtete sich nun nicht mehr rein nach ästhetischem Empfinden, sondern folgte stattdessen der Prämisse der Funktion:
Ein Ding ist bestimmt durch sein Wesen. Um es so zu gestalten, dass es richtig funktioniert – ein Gefäß, ein Stuhl, ein Haus –, muss sein Wesen zuerst erforscht werden; denn es soll seinem Zweck vollendet dienen, d.h. seine Funktion praktisch erfüllen, haltbar, billig und ‚schön‘ sein. Grundsätze der Bauhausproduktion. In: Walter Gropius / László Moholy-Nagy (Hrsg.): Neue Arbeiten der Bauhauswerkstatt. Bauhausbücher 7. München 1925
Klassische Bauhaus-Stilmerkmale
Einfache Geometrien, die Beschränkung auf das Grundfarbenspektrum in Kombination mit Schwarz, Grau und Weiß und die Verwendung neuer Materialien, wie z. B. Stahlrohr, sind klassische Bauhaus-Stilmerkmale. Die funktionsorientierte Gestaltung wurde als Mittel zur Optimierung der industriellen Fertigung zugunsten bezahlbarer Produkte begriffen. „Volksbedarf statt Luxusbedarf“, forderte Bauhaus-Gründer Walter Gropius. Die neuen Möbel und hellen Bauwerke sollten der Arbeiterklasse eine moderne Lebenseinstellung vermitteln. Erstmals umgesetzt wurden diese Vorstellungen mit der Ausstellung des Musterhauses „am Horn“: Fußleisten und Fensterbänke waren aus schwarzem Opakglas gefertigt, jedes Möbelstück hatte man in den Bauhaus-Werkstätten eigens entworfen.
Organisation von Lebensvorgängen
Das traditionelle Sofa war einer Sitzbank ohne Lehne gewichen, der Wohnzimmerschrank einer gläsernen Eckvitrine, im Kinderzimmer gab es bunte, bewegliche Möbel und die Küche war die erste moderne Arbeitsküche in Deutschland. Das „Haus am Horn“ ersetzte die für das Bürgertum so wichtige Repräsentation und Behaglichkeit durch Wohnökonomie. Ein zentraler Punkt war dabei die Neuordnung nach Funktionsabläufen, die „Organisation von Lebensvorgängen“ (W. Gropius), mit der man das Wohnen standardisieren und rationalisieren wollte. Zum Symbol dieses neuen Wohnens wurden die metallisch glänzenden Stahlrohrmöbel von Marcel Breuer.
Von kritischen Zeitgenossen oft als „Sitzmaschinen“ geschmäht, gehören Sie heute zusammen mit den Möbel- und Produktentwürfen von Mart Stam, Charles und Ray Eames, Mies van der Rohe und Wilhelm Wagenfeld zu den Design-Klassikern des Bauhauses. Der „Barcelona Chair“, der „Stahlclubsessel B3“, die Wagenfeld-Tischleuchte oder Marianne Brandts Teeservice bereichern jedes Wohn- und Gestaltungskonzept mit ihrem zeitlos-prägnanten Formenkanon.
Autorin: Nicole Benke